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Endokrinologie ist nicht „Hormonologie"



Vorsicht ist geboten, wenn Hormonwerte interpretiert werden. Abweichungen einer Hormonkonzentration von einem „Normwert" müssen keinen Krankheitswert haben, werden aber oft von „Hormonologen" als korrekturbedürftig angesehen.

Endokrinologie ist die Lehre von den Regelkreisen. Die Aufgabe des Endokrinologen besteht darin, krankhafte Zustände von normalen Veränderungen in einem dynamischen System zu erfassen. Dies kann bei Hormonkonzentrationen der Fall sein, die im Normbereich liegen, oder erhöht bzw. erniedrigt sind. Hormone werden nicht auf einen Sollwert hin geregelt, wie z. B. der Blutzucker oder das Serum-Calcium, sondern sie steuern Drüsen und Zellen, damit wichtige Funktionen und Konzentrationen ihren geregelten Sollwert einhalten.

Dies soll exemplarisch aufgezeigt werden anhand der Regelung der Knochenfestigkeit, der Regelung der „Männlichkeit" und der Regelung des Energiehaushaltes

1. Regelung der Knochenfestigkeit
Unsere Knochen brauchen eine ausreichende Festigkeit für die auf sie einwirkenden Muskelkräfte. Auch sollen sie bei einer Verletzung möglichst nicht brechen. Ein Zuviel an Knochen stellt aber Ballast dar, der nachteilig ist. Knochenstruktur, Knochenzellen und Knochenanatomie werden in diesem Regelkreis ständig an die einwirkende Muskelkraft angepasst. Geringe Muskelkraft bewirkt geringe Knochenfestigkeit, eine physiologische Anpassung an die heutige Lebensweise in unserer Industriegesellschaft. Daher stellt man heute bei vielen älteren Menschen eine verminderte Knochenmasse fest als Anpassung an die geringe und wenig trainierte Muskelmasse, was dann als krankhaft (Osteoporose) angesehen wird. Krankhaft ist, wenn trotz guter Muskulatur sich nur wenig Knochen findet. Oft muß eine Behandlung erfolgen, wenn durch eine Krankheit Knochen und Muskeln beeinträchtigt werden, da sehr schnell der Knochen abgebaut wird, der Wiederaufbau aber nur sehr langsam geschehen kann.

2. Regelung der „Männlichkeit", Anti-Aging-Medizin
„Männlichkeit" wird unter anderem gesteuert durch Testosteron. Die Testosteronkonzentration im Blut ist bei vielen älteren Menschen geringer als bei jungen Männern, was dazu führt, den Alterungsprozess mit einem Mangel an Testosteron gleichzusetzen und Testosteron zu geben. Bei vielen älteren Männern ist „Männlichkeit" im Alter biologisch weniger gefragt, sei es dass sie in ruhigen familiären Verhältnissen leben, sei es dass sie überfordert sind durch Beruf oder Krankheit, sei es dass sie ein metabolisches Syndrom (siehe unten) entwickelt haben und durch das Fettgewebe Testosteron in das weibliche Sexualhormon Östradiol umwandeln. Hier stellt der als „zu niedrig" gemessene Testosteronspiegel einen physiologischen Zustand dar. Die Gabe von Testosteron, wie sie oft im Rahmen der „Anti-Aging-Medizin" erfolgt, führt dazu, dass die eigene Testosteronsekretion verschwindet und die Hoden kleiner werden. Bei zu hoher Gabe von Testosteron wird Muskulatur gebildet, die nicht benötigt wird (Ballast). Sport und Gewichtsabnahme können zu höheren Testosteronwerten führen, im Sinne einer gesunden Lebensführung.
Kommt es zu einer krankhaften Veränderung der Hoden, so sinken die Testosteronspiegel im Blut. Hier ist die Gabe von Testosteron segensreich. Es muß behandelt werden, durch die Gabe von Testosteron, um Beschwerden zu mindern und dem Auftreten einer Osteroporose vorzubeugen.


3. Regelung des Energiehaushaltes
Die Energieversorgung unserer Gewebe ist geregelt, es müssen Speicher für schlechte Zeiten angelegt werden. Diese Speicher sind das subkutane Fettgewebe, das Fettgewebe im Bauch, im geringen Maße die Leber und alle anderen Gewebe, wie z.B. die Muskelfasern. Durch das Ansprechen der Zellen auf Insulin (Insulinresistenz) können verschiedene Speicher angesprochen und gefüllt werden. In einer Zeit der Überflusses wird dieses Regelsystem überfordert, es kommt zum metabolischen Syndrom mit seiner Stammfettsucht. Durch weitere Überladung entsteht aus dem metabolischen Syndrom ein Diabetes mellitus, es kommt zur Fettablagerung in Gefäßen mit daraus resultierendem Herzinfarkt und Schlaganfall, es kommt zu Fettablagerung in Muskelzellen mit daraus resultierender Herzinsuffizienz. Unser Organismus hat nicht die Möglichkeit, zugeführte Nahrung nicht aufzunehmen, auch wenn die Speicher bereits gefüllt sind. Nur indem wir unsere Lebensführung ändern, können wir dem metabolischen Syndrom entgehen.

Diese Beispiele zeigen auf, dass Hormonkonzentrationen nur dann richtig interpretiert werden können, wenn der entprechende Regelkreis untersucht wird. Normale, erhöhte und erniedrigte Werte können krankhaft sein, nur bei krankhaften Störungen ist die Gabe von Hormonen angezeigt.

Dr. med. Harald Etzrodt
Dr. med. Athanasios Alexopoulos
Arzt für Innere Medizin
Endokrinologie

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